Handaufzucht verwaister Vogelkinder

In jedem Frühling machen Tausende von Vogelfreunden eine oft traurige Erfahrung: Sie finden ein verwaistes Vogelkind oder bekommen eines gebracht. Meist beginnen dann hektische Aktivitäten zur Rettung des Kleinen – und allzu oft enden sie mit dem Tode, weil der Winzling einfach nicht fressen will oder trotz Nahrungsaufnahme dahinkümmert. Was haben diese Tierfreunde falsch gemacht?

Viele der "Findlinge" – vielleicht sogar die meisten – hätten überlebt, wenn man sie dort gelassen hätte, wo man sie entdeckt hatte: Oft sind noch unselbständige Jungvögel nämlich gar nicht verlassen, sondern warten nur unauffällig auf die Elternvögel, die irgendwann plötzlich mit Nahrung wieder auftauchen. Selbst wenn ein Vogelkind von übereifrigen Menschen oder Kindern angefaßt wurde, wird er von den suchenden Altvögeln wieder angenommen. Wer dennoch den Verdacht hat, ein entdeckter Jungvogel brauche Hilfe, sollte ihn zunächst stundenlang aus großer Entfernung beobachten, um sicherzugehen, daß er wirklich verwaist ist.

Wenn ein Vogelkind wirklich verwaist ist und mitgenommen wird oder wenn er nach einem halben Tag in menschlicher Obhut nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg zu seinem Fundplatz zurückgebracht werden kann, weil die Eltern die Suche inzwischen aufgegeben haben, ist in der Tat Eile geboten: Der Kleine muß dringend gefüttert werden. Dafür benötigt man zwei Dinge: das richtige Futter und viel Zeit. Hier einige Tips für die ...

Handaufzucht junger Singvögel:

Bestandteile:

  1. Brekkies oder Kinderkatzenfutter (Supermarkt, Zoohandel)
  2. Singvogel- bzw. Beo-Aufzuchtfutter (Zoofachgeschäft)
  3. Magerquark oder Hüttenkäse
  4. Wasser
  5. Elektrolyt (Amynin)

Zubereitung:

  • Brekkies oder Katzen-Aufzuchtfutter und Vogel-Aufzuchtfutter im Wasser quellen lassen
  • Beides zu annähernd gleichen Teilen mit Magerquark vermischen
  • Einige Elektrolyt-Tropfen hinzufügen
  • Quirlen

Ergänzungen · Alternativen:

  • Amseln kann man zusätzlich (!) mit Regenwürmern und Mehlkäferlarven ("Mehlwürmern") füttern.
  • Mauersegler (die keine Singvögel sind) und Schwalben erhalten außerdem Heimchen.
  • Für einzelne Jungvögel eignet sich auch das im Zoofachhandel erhältliche Aufzuchtfutter für verschiedene heimische Vogelarten, das man mit etwas Quark und Wasser "verflüssigen" kann.

Fütterungsmethoden:

  • Wenn der Kleine nicht von selbst sperrt, nimmt man ihn in die eine (linke) Hand, fixiert seine Beine mit dem Kleinen Finger und dem Ringfinger und hält seinen Kopf und Schnabel mit dem Zeigefinger und Daumen sanft in die richtige Richtung.
  • Den Nahrungsbrei gibt man z. B. mit einem schmalen Stiel eines Kaffeelöffels in den Schnabel. Quasi "professionell" für Flüssigbrei ist die Verwendung einer großen Einwegspritze, die man ohne Stahlnadel beim Hausarzt "abstauben" kann.
  • Je jünger das Vogelkind, desto häufiger muß es gefüttert werden; anfangs jede halbe Stunde und niemals zu viel auf einmal! Dabei darf der Kropf weder ganz leer noch ganz voll werden: Wenn er prall gefüllt ist und spannt, droht Verstopfung.
  • Man sollte nicht zu forsch zu Werke gehen: Flüssigbrei, der den nötigen Wasseranteil enthält, könnte sonst leicht in die Lunge geraten, was der Vogel nicht überleben würde. Aus diesem Grunde sollte man auf zusätzliche Wassergaben mit der Einwegspritze verzichten.

Die vorstehenden Empfehlungen zu den Futterbestandteilen erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit: Sie können ja nach Vogelart und eigener Erfahrung durchaus abgewandelt werden – auch mit anderen Rezepten werden junge Singvögel erfogreich großgezogen. Viele Nicht-Singvögel müssen sogar anders versorgt werden, vor allem Fisch- und Fleischfresser wie Kormorane und Reiher, Greife und Eulen; am besten macht das ein Fachmann bzw. eine Fachfrau.
    Für die Unterbringung wäre optimal ein sog. Krankenkäfig mit regelbarer Temperatur und Luftfeuchtigkeit geeignet, der aber Privatleuten natürlich nicht zur Verfügung steht. Ein brauchbarer Ersatz ist zunächst ein kleiner gepolsterter und mit einem feuchten Tuch zugedeckter Behälter (Blumentopf, Schüssel, Schachtel) an einem warmen Ort, später ein Vogelkäfig. Wer die Geldausgabe nicht scheut, kann im Zoofachhandel ein kleines Heizkissen bzw. eine Heizplatte erwerben und unter das künstliche Nest schieben. Ein schwacher (!) Keramik-Infrarotstrahler tut die gleichen Dienste.

Wenn der Vogel es geschafft hat und endlich flügge bzw. selbständig ist, muß er ausgewildert werden. Man darf ihn also nicht behalten – auch nicht mit dem Argument, er habe sich jetzt so sehr an den Menschen gewöhnt, daß er vielleicht in der Natur nicht mehr zurechtkäme. Erst recht ist es verboten und strafbewehrt, einen Jungvogel zu fangen bzw. aus dem Nest zu nehmen, um ihn aufzuziehen und als zahmen Hausgenossen zu halten, wie das früher oft geschah.
    Die Befürchtung, ein Jungvogel könne in seiner – wie Verhaltensforscher sagen – "sensiblen Phase" auf den Menschen fehlgeprägt werden, ist dennoch berechtigt. Man vermeidet solche Fehlprägung, indem man den Vogel außer Sichtweite unterbringt und sich über die kurzen Fütterungsphasen hinaus nicht weiter mit ihm beschäftigt.

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