Schutz & Förderung der Libellen

Die Bedrohung der Biodiversität war spätestens in den 1990er Jahren im öffentlichen Bewußtsein angekommen; konkrete Maßnahmen zu ihrer Erhaltung aber blieben spärlich. Als der Entomologischen Verein Krefeld im Jahr 2013 in seiner international bekannten "Krefelder Studie" einen Rückgang der Fluginsekten seit 1989 von bis zu 80% belegte, machte das Schlagwort "Insektensterben" die Runde. Diese griffige, aber unscharfe Bezeichnung meint(e) keinen natürlichen Kreislauf von Tod und Geburt, sondern zwei unterschiedliche, aber gleichermaßen katastrophale Folgen menschlichen Handelns: den Rückgang der (in kg gemessenen) Biomasse und der Artenzahl der Insekten. Bei der Artenzahl gerieten vorrangig – nämlich aufgrund ihrer Bestäubungsleistung – die Bienen in den Fokus, andere Insektengruppen eher aus dem Blickfeld. Zu letzteren gehören die Libellen: Wer erinnert sich noch daran, daß dort, wo heute ein paar z. B. Plattbäuche ihre Runden fliegen, vor Jahrzehnten Hunderte von Groß- und Kleinlibellen gleichzeitig den Luftraum beherrschten?

Ursachen

Natürlich gibt es immer auch natürliche Ursachen für die Populationsdynamik einer Tierart in ihrer Interaktion mit der Sukzession der Vegetation, den Konkurrenten und Prädatoren; die Hauptursachen für den Rückgang der Libellen verschuldet allerdings der Mensch.

  • Trockenlegung
    In ihrer kurzen Lebensphase als Imagines (fortpflanzungsfähige Fluginsekten) jagen Libellen nicht nur über und an Gewässern, sondern auch in deren weiterem Umfeld. Die meiste Zeit ihres Lebens (drei Monate bis mehrere Jahre) allerdings leben sie als Larven in Gewässern oder in feuchtem Ufersubstrat, wohin sie zur Eiablage auch zurückkehren müssen. Verschiedene, überwiegend stehende Gewässer – Tümpel, Weiher, Teiche, Seen, Gräben, Bäche – sind also für das Überleben der verschiedenen Libellenarten unverzichtbar — und dennoch immer wieder Opfer menschlicher "Ordnungsliebe", naturfeindlicher Städteplanung oder der "guten landwirtschaftlichen Praxis": Bodensenken mit Tümpeln z. B. sind für die optimale Ausnutzung einer Agrarfläche und große Erntemaschinen oder Wege ebenso hinderlich wie Gehölzgruppen oder Erdhügel, also werden sie mit Erde aufgefüllt oder mit Schutt, wenn ein Fahrweg entstehen soll. Größere Wasserflächen werden drainiert, Bäche zu schnell fließenden Kanälen begradigt: Es geht um Bequemlichkeit und Gewinnmaximierung.
  • Weniger Blüten, weniger Insekten
    Die oft prächtig gefärbten Libellen sind meist auch gern gesehene Gäste in unseren Gärten. Der Grund ihres Besuchs ist allerdings nur die Aussicht, hier Beute finden: Fluginsekten aller Art. In typischen "gepflegten" Schaugärten und Parks allerdings wachsen nur wenige und allzu oft exotische Pflanzenarten. Blütenarmut bewirkt hier Insektenarmut, also wenig Beute für Libellen, Vögel und Fledermäuse.
  • Eutrophierung (Überdüngung, Verschmutzung)
    In Flächen der konventionellen Landwirtschaft können Kleingewässer schon für Libellenlarven unbewohnbar sein, bevor sie dies auf den ersten Blick zu erkennen geben: Die Überdüngung der Äcker reichert die Nährstoffe in Gewässern an und läßt sie zuwachsen; Giftstoffe (Insektizide) töten den Libellennachwuchs sofort. Trittschäden durch Weidevieh zerstört die Ufervegetation, also auch die Sitzwarten der jagenden Imagines, ihre Nacht- und Schlechtwetterquartiere und ihre Geburtsplätze während der Emergenz. Daß ein Feuchtbiotop längst "tot" ist, wird manchmal erst offenkundig, wenn z. B. ein rostiges Fahrrad aus dem verschmutzten Wasser ragt.
  • Baden, Segeln, Campen
    Die Zerstörung der Ufer- und Wasservegetation bedarf keiner Hornvieh-Herde: Menschen zieht es seit jeher ans Wasser, und wenn sie Gewässer in Massen badend, segelnd, campend und sich sonnend bevölkern, können sich Libellen und andere Insekten (und Amphibien und Wasservögel ...) dort nicht mehr entwickeln.
  • Angelsport: Fische
    Um angeln zu können, braucht der Angler viele Fische der attraktiven Arten in einem Gewässer. Das Problem für die Libellen ist er daher nicht unmittelbar, sondern mittelbar durch das Aussetzen von Fischen: Fische fressen die Eier und Larven von Amphibien ebenso wie von Libellen.
  • Sekundärbiotope
    Nicht wenige Lebensräume sind längst solche aus menschlicher Hand: Kiesgruben und Steinbrüche sind die scheinbar nutzlosen Überbleibsel der Ausbeutung des Bodens; Hecken und Feldgehölze sind – ebenso wie Feucht- und Trockenwiesen – keine natürlich entstandene, sondern angepflanzte Vegetation. Solche naturnahen Sekundärbiotope wurden und werden, nachdem sie ihren Zweck erfüllt haben, allzu leicht zugeschüttet bzw. als Deponien mißbraucht, abgeholzt oder lukrativer umgenutzt. Dabei sind sie für den Libellen- bzw. Insektenschutz nicht weniger wichtig als Primärbiotope.

Schutzmaßnahmen

Zu unterscheiden ist die Bewahrung von der Neuschaffung geeigneter Biotope bzw. Habitate; erstere bringt den erhofften Erfolg schneller, sicherer und kostengünstiger:

Gewässer-Habitate

  • Kein Dünger, keine Pestizide
    Wiesenbäche und -gräben müssen durch eine mehrere Meter bzw. möglichst breite Uferzone vor Eurtrophierung und Pestizideintrag geschützt werden.
  • Natürliche, lückige Vegetation
    Die Uferzonen bedarf einer nicht zu dichten Neophyt-freien Vegetation einschließlich Sträuchern (Stockweiden) als Sitzwarten, Sonnenplätze und Nachtquartiere. Das legt eine beidseitig alternierende Mahd und Auslichtung des Ufergehölzes nahe.
  • Zuwachsen verhindern
    Wenn Gewässer immer mehr zu- und überwachse oder gar veralgen, reicht es nicht mehr, die Ursachen (Eutrophierung) abzustellen: Dann sollte die wuchernde Biomasse auf Teilstrecken – auch hier: alternierend jährlich – entfernt werden.
  • Keine Fische
    In größeren Fließgewässern (Bächen, Flüssen, Strömen) kommen Fische und Libellenlarven seit jeher gemeinsam vor; eine natürliche Ufervegetation und -topografie bietet dem Libellennachwuchs dort einen sicheren Lebensraum. Kleine Bäche (Rinnsale) allerdings und kleine stehende Gewässer können Fische meist natürlicherweise nicht erreichen, die hier lebenden Libellenarten haben unter ihnen weder Freßfeinde noch Nahrungskonkurrenten. Man sollte also in Kleingewässern Fische aussetzen.

Terrestrische Habitate

  • Primärbiotope
    Die Landlebensräume der Libellen sind ungenutzte oder extensive genutzte sonnenbeschienene und blütenreiche Biotope auch weit außerhalb von Gewässern. Eine blütenreiche Krautvegetation fördert die Biodiversität und somit auch die Nahrungsgrundlage der Libellen, Böschungen bieten ihnen (und etlichen ihrer Beutetiere) Sitzwarten und Sonnenplätze. Solche Biotope müssen unbedingt erhalten werden!
  • Sekundärbiotope: Nachnutzung
    Wenn Steinbrüche, Sand- und Kiesgruben und andere geeignete Landlebensräume aus der Nutzung fallen, sind sie rechtzeitig für den Natur- und Artenschutz zu sichern. Wenn eine Kommune bzw. ein Landkreis sie nicht selbst unterhalten will oder kann, kann evtl. ein Naturschutzverein oder eine Biologische Station diese Aufgabe stemmen.
  • Nutzung dauerhaft sichern
    Böschungen und andere Flächen sind im Jahr einmal, maximal zweimal zu mähen, nämlich nach der Brutsaison der Vögeln. Eine alternierende Teilmahd (jeweils ca. zwei Drittel der Vegetation) schont Insekten und Pflanzen. Ufergehölze sollten vor der Vegetationsperiode so ausgelichtet werden, daß u. a. Libellen besonnte Areale vorfinden.
Kleingewässer
Schützenswertes Libellen-Habitat: Kleingewässer · 14.08.2016

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